Mangelnde Trainingshäufigkeit kein Anlass zur Mitgliedskündigung?

Nirgendwo gibt es mehr Unstimmigkeiten als bei der Frage „Kündigen Mitglieder, wenn sie nicht oder wenig trainieren“. Hierauf abgestimmt sollte das Trainer-Verhalten liegen: muss ich die Mitglieder zu mehr Aktivität bewegen oder lieber nicht?
Befürworter dieser These führen folgende Argumente ins Feld:
- Wer nicht trainiert, will kein Geld für etwas ausgeben und kündigt dann
- Mitglieder müssen immer motiviert werden, sonst kommt Frustration, darauf folgt die Kündigung
Bestreiter dieser These sagen:
- Bloß keine schlafenden Hunde wecken
- Man kündigt nicht, nur weil man „mal“ nicht zum Training kommt. Man könnte ja trainieren. Ist ähnlich wie das Motorrad, das in der Garage steht und nicht genutzt wird: ich fahre nicht, verkaufe das Motorrad aber nicht. Weil ich ja fahren könnte, wenn ich wollte
- Ist wie das Netflix-Abo: wird nicht genutzt, aber auch nicht gekündigt
Tatsächlich haben sowohl die Befürworter als auch die Bestreiter dieser These recht, wie viele der wissenschaftlichen Studien bestätigen, die ich gelesen habe. Es kommt immer auf den „Betrachtungswinkel“ an, wobei ein Großteil der jüngsten Studien KEINEN signifikanten Zusammenhang zwischen Trainingshäufigkeit und Mitgliedskündigung sehen (z. B. Garcia-Fernandez et al. (2017), Kruse (2021)).
Goncalves et al. (2016) dagegen sehen eben diesen Zusammenhang. Interessant ist, das Studien, die häufig auf subjektiver Beobachtung, also fragebogenbasierte Ansätze, beruhen, einen signifikanten Zusammenhang sehen, wogegen objektive Beobachtungen, also verhaltensbasierte Ansätze, keinen Zusammenhang feststellen können.
Fakt ist, und das haben viele weitere Untersuchungen ergeben, das der Mensch eben kein rational handelnder Mensch (homo oeconomicus) ist, sondern eben ein Wesen mit all seinen emotionalen Stärken und Schwächen. So hat Müller (2012) in ihrem psychologischen Ansatz herausgefunden, das die Mitgliedskarte von einem Fitnessstudio (wenn es nicht eben ein Discounter ist) als Status-Symbol gelten kann – auch wenn man das Fitnessstudio nicht besucht. Theoretisch empfiehlt es sich somit, an seiner eigenen Marke zu arbeiten. Je wertiger diese ist, desto eher bleibt das nicht-trainierende Mitglied, das auf Status-Symbole steht.
Pixformance (2018) und IHRSA (2017) haben in ihren Studien herausgefunden, das 73 – 84% der Neu-Mitglieder ihre Mitgliedschaft innerhalb der ersten zwei Jahre kündigen und empfehlen hier folgende Maßnahmen, um genau das zu vermeiden:
- Mitglieder, die 2-4 x wöchentlich trainieren, statistisch das geringste Kündigungsrisiko aufweisen
- IHRSA-Studie: Kündigungswahrscheinlichkeit sinkt um 50%, wenn das Mitglied 2x pro Monat in direktem Kontakt zu den Trainern stand
- 80% der Trainingsaussteiger, haben ihre workouts in den letzten 6 Wochen vor der Kündigung so durchgeführt, das max. 15 Übungen enthalten waren. Mitglieder mit doppelter Übungsanzahl, blieben mit höchster Wahrscheinlichkeit (Pixformance); Empfehlung: Trainertermine mit kurzen Intervallen: Abwechslung
- Zeitmangel: Mitglieder, die das angeben, haben Dringlichkeit und Notwendigkeit zum Sport nicht verstanden und setzen zumeist die falschen Prioritäten. Empfehlung: als Trainer so geschult sein, die Prioritäten neu zu ordnen und den Trainingstermin fest in den Kalender zu integrieren.
Abschließend sei noch gesagt, das sich die Studien von Pixformance und IHRSA auf Neumitglieder (bis 2 Jahre) beziehen, während die o. g. Studien eher Langzeitstudien sind. Tatsächlich habe ich in meiner eigenen Forschung festgestellt, das innerhalb der ersten zwei Jahre die Kündigungsquote recht hoch ist und der Verlauf dann entsprechend abflacht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, das, wenn man es schafft, die Mitglieder über die Motivation sowie Zielerreichung über die Erstlaufzeit von 24 Monaten zu halten, die Wahrscheinlichkeit hoch ist, sie als Langzeit-Mitglieder zu binden.